Was bedeutet Einsamkeit im Alter?
interview mit elke schilling
Obwohl Einsamkeit ein subjektives Gefühl ist, kann sie schwerwiegende Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit haben. Die soziale Isolation älterer Menschen wird oft nicht wahrgenommen, doch sie betrifft Millionen von Senioren weltweit. Im folgenden Interview mit Elke Schilling von Silbernetz möchten wir einen Einblick in die Ursachen von Einsamkeit im Alter geben und die gesellschaftlichen wie auch individuellen Auswirkungen dieses Phänomens beleuchten.
Welche Rolle spielt soziale Isolation in unserem Alltag?
Elke Schilling ist die Gründerin und Vorsitzende von Silbernetz, einer Initiative, die sich in Deutschland für ältere Menschen einsetzt, die unter Einsamkeit und sozialer Isolation leiden. Silbernetz bietet eine kostenlose und anonyme Telefon-Hotline für Menschen ab 60 Jahren an, bei der diese sowohl emotionale Unterstützung als auch die Möglichkeit für regelmäßige Gespräche erhalten können. Das Ziel der Initiative ist es, das Gefühl der Einsamkeit zu lindern und älteren Menschen durch das Telefonnetzwerk neue Kontakte und sozialen Austausch zu ermöglichen. Elke Schilling war lange Zeit in der sozialen Arbeit aktiv und hatte verschiedene politische und ehrenamtliche Rollen inne, bevor sie 2014 Silbernetz gründete. Sie erkannte den dringenden Bedarf für ein Angebot, das speziell auf die Einsamkeit im Alter abzielt, und hat seitdem maßgeblich dazu beigetragen, das Thema in der öffentlichen Debatte zu verankern. Für ihr Engagement und ihren Einsatz wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Elke Schilling, Gründerin und Vorsitzende von Silbernetz
Frau Schilling, Einsamkeit im Alter ist ein Thema, das in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt ist. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für Einsamkeit im Alter? Elke Schilling: In einem Vortrag aus dem Deutschen Zentrum für Altersfragen hörte ich diese Reihenfolge: Altersdiskriminierung, Altersarmut, Krankheiten. Das stimmt mit unseren Wahrnehmungen am Telefon überein, wobei unsere Anrufer ihre Diskriminierungserfahrungen kaum jemals als solche benennen. Für sie ist es das Verschwinden aus der öffentlichen Wahrnehmung („mich gibt es eigentlich nicht mehr“), aber auch die immer größeren Schwierigkeiten, „auf dem Laufenden“ zu bleiben, weil so viele vertraute Informations- und Dienstleistungsangebote verschwinden (zum Beispiel Telefonbücher oder auch Post und Bankenzugang) und durch die zunehmende Digitalisierung für viele Ältere der Alltag immer schwerer zu organisieren ist. Hinzu kommt die wachsende Mühsal, Verluste an Kontakten durch neue zu ersetzen und die eigene zunehmende Immobilität angemessen zu kompensieren. Auch wenn das die häufigsten Ursachen sind – Einsamkeit kann jeden treffen.
„Alleinsein bedeutet nicht zwangsläufig Einsamkeit."
Sind alleinstehende Senioren und Seniorinnen besonders von der Einsamkeit im Alter betroffen? Welche Tipps gibt es für Sie?0800 4070 80 90 erreichbar ist. Seit dem Start 2018 wurden wir bereits etwa 640 000 Mal angerufen. Darüber hinaus gibt es die Silbernetz-Freundschaft: Auf Wunsch wird ein älterer Mensch an eine*n Ehrenamtlichen vermittelt, der dann einmal jede Woche für ein persönliches Gespräch anruft. Außerdem gibt es die Silberinfo: Bei Bedarf werden Rufnummern zu Angeboten rund und Bildung, Begegnung, Pflege und Gesundheit im Wohnumfeld des Anrufenden ermittelt und am Telefon weitergegeben Was können wir als Gesellschaft tun, um Einsamkeit im Alter vorzubeugen und entgegenzuwirken? Elke Schilling: Es geht darum, alte Menschen wertzuschätzen und dafür sorgen, dass sie in Würde leben können bis zum Ende. Sie als Teil dieser Gesellschaft zu begreifen, mit ihren Fähigkeiten und Erfahrungen anzufragen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beteiligen, ihnen Beteiligung zu ermöglichen. Manchmal ist es einfach nur der Zettel mit der eigenen Rufnummer, die man in den Briefkasten, der isoliert erscheinenden Nachbarin steckt, mit dem Angebot gern zur Verfügung zu stehen, wenn man gebraucht wird. Viele ältere Menschen zögern, aktiv nach Unterstützung zu suchen. Wie können Angehörige und Freunde darauf achten und vielleicht sogar helfen? Elke Schilling: Es geht darum, hinzuschauen, nachzufragen und Möglichkeiten anzubieten und dann auch zu respektieren, dass auch Ältere die Freiheit der Selbstverantwortung und eigenen Entscheidung haben und natürlich auch die Kontrolle über das Geschehen bewahren wollen. Leider gibt es nicht wenige, der alten Menschen und ihre Unterstützungsbedürftigkeit schamlos ausnutzen und missbrauchen. Von Telefonbetrug über Diebstahl und Gewalt. Da geht es eben auch um Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit. Elke Schilling: Alleinsein bedeutet nicht zwangsläufig auch Einsamkeit. Viele unserer Anrufenden sind pflegende Angehörige – Pflege kann sehr einsam machen und Pflegende sind durch ihre Lebensumstände stark gefährdet, in die Isolation zu geraten und damit einsam zu werden. Eine 80Jährige sagte mir am Telefon, dass sie gern allein ist und gut damit leben kann, es dennoch sehr erleichternd für sie ist, bei uns jemand zum Reden zu finden, wenn sie es braucht. Wer es kann, sollte aktiv schauen, was es in der Kommune an Möglichkeiten gibt, wieder in Kontakt zu kommen. Im Zweifelsfall kann man im Sozialamt anrufen und fragen, was vor Ort vorhanden ist. Und Mitmenschen sind meist gern hilfsbereit, wenn man sich traut, um Hilfe zu bitten. Mit Ihrem Projekt Silbernetz bieten Sie Menschen ab 60 eine anonyme Telefonhotline gegen Einsamkeit an. Wie genau funktioniert das Angebot und wie wird es angenommen? Elke Schilling: Unser Silbernetz ist anonym, vertraulich und kostenfrei für die Anrufenden und besteht aus einer Hotline, die täglich von 8-22 Uhr aus ganz Deutschland kostenlos unter
Suchen auch Sie Unterstützung?
Silbernetz – das Netzwerk gegen Einsamkeit im Alter. Täglich von 8 bis 22 Uhr. Anonym, vertraulich und kostenfrei.
Kostenlose Hotline: 0800 4 70 80 90